Schreiben ist gleich schreiben, ganz egal wo – ein Trugschluss, dem viele Texter aufsitzen. Dabei ist es ganz schön schwierig, SEO-gerecht zu schreiben. Wie ich leidvoll erfahren musste.Volontariat bei einer Tageszeitung, jahrelange Erfahrung als News-Redakteur. Da sollte mir der Wechsel in eine Content-Agentur leichtfallen. Schließlich ist das mit diesem SEO doch easy. Dachte ich – und denken viele Redakteurs-Kollegen. Aber da irren sie, genauso wie ich geirrt habe. Warum? Das lesen Sie hier.
Von wegen locker vom Hocker
Ich kann nicht sagen, ich sei nicht gewarnt worden. SEO-Texten ist anders als Nachrichten schreiben, hieß es im Job-Interview. Die Ippen Digital Media sei keine Zeitungsredaktion. „Hier wird für Unternehmen geschrieben. SEO-optimiert und professionell.“ Ich nickte brav (schließlich wollte ich den Job) und sagte, das sei mir natürlich und selbstverständlich völlig klar. Bereits das ironische Lächeln bei „Aber natürlich“ hätte mich vorsichtig werden lassen sollen. Hat es aber nicht.
Was sollte denn schon dabei sein, ein paar Keywords im Text zu verwursten. SEO ist doch Kinderkram und nicht gerade Rocket-Science, oder? Leider falsch. Völlig, ganz und von A bis Z. Das musste ich schon beim ersten Auftrag erfahren. Ein simpler Artikel, schnell runtergetippt. Also mit breiter Brust ins Chef-Büro, Text vorlegen, Lob abholen. Aber: „Description zu lang, Teaser zu lang, keine Fettungen, Keyword nicht im Zwischentitel.“ Setzen, sechs, nochmal.
Mal eben SEO-texten ist unmöglich
Description? Teaser? Fettung? Es wurde schnell klar, dass ich keine Ahnung hatte, was SEO-Texten wirklich bedeutet. Dass es nämlich mehr ist, als ein bestimmtes Wort möglichst oft in einem Text unterzubringen. In Wahrheit beginnt die Optimierung mit der Suche nach den passenden Keywords. Dann kommt die grafischen Gestaltung des Textes: Aussagekräftige Überschriften, Zwischentitel, hervorgehobene Wörter und Aufzählungen machen den Artikel für Google leichter verständlich. Und für den Leser. Dazu die Meta Description. Sie schlägt Google vor, wie die Suchmaschine den Artikel in den Ergebnissen anzeigen kann. Und sie soll mittels Call-to-Action verleiten, den Text anzuklicken.
Von all dem hatte ich nie gehört. Dann sollte ich noch Zielgruppe und Sprachwahl des Kunden beachten. Schnell runtertippen? Konnte ich vergessen!
Die erste Zeit war hart. Meine Artikel fielen durch. So viele Regeln mussten beachtet, so viele Strukturen eingehalten und Vorgaben gelernt werden – es war zum Verzweifeln. Als hätte ich nie in meinem Leben einen Text verfasst. Und jeden Abend auf dem Heimweg der gleiche Gedanke: „Du bist zu blöd zum Schreiben.“ Von der dicken Hose, mit der ich gestartet war, blieb im Laufe der Zeit nur ein dünner Schlüpfer.
SEO muss gefunden werden – eine Meldung wird gesucht
Ich war knapp davor, hinzuschmeißen. Doch ich bin froh, es nicht getan zu haben. Denn mit der Zeit kommt es. Ganz ehrlich! Es kostet Blut, Schweiß und Tränen, aber es kommt. Man muss lernen, sehr viel. Dazu Gelerntes über Bord werfen. In der Zwischenzeit stapelt sich die SEO-Texter-Fachliteratur (und der „bereits gelesen“-Stapel ist immer kleiner als der „das muss noch“-Berg) und einige Bäume mussten wegen versemmelter Artikel dran glauben. Aber ich erfahre jeden Tag Neues: Wie arbeitet Google? Wie liest ein User meinen Text? Warum liest er ihn – oder eben nicht?
Denn ein SEO-Text wird nicht gesucht. Er muss gefunden werden. Dann muss er gelesen werden. Dann muss er genutzt werden. Das sind ja gleich drei Wünsche auf einmal? Richtig. Und das macht es so interessant. Aufmerksamkeit bei einem Leser mit einem Text zu wecken, von dem er vorher noch nicht weiß, dass er ihn unbedingt lesen muss, bringt Spannung in die Sache. Denn über etwas zu schreiben, das sowieso jeder wissen will – das ist doch Pipifax.
Autor: Stefan Weinzierl
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