Warum über jemanden schreiben, wenn die Person auch selbst zu Wort kommen kann? Interviews sind eine beliebte Textform, um Menschen authentisch darzustellen, Sachverhalte zu erklären oder auch um ein Thema im Streitgespräch von mehreren Seiten zu beleuchten. Dabei ist ein Interview bei weitem kein Gesprächsprotokoll. Um einen rundum gelungenen Beitrag in wörtlicher Rede zu gestalten, sollten Sie ein paar Grundlagen kennen.
Interview vorbereiten: So gehen Sie gut gerüstet in den Dialog
Die Grundlage für jeden Beitrag ist die Recherche. Bei einem Interview funktioniert das nicht immer. In vielen Fällen können Sie sich gründlich in das Thema einarbeiten und sich mit älteren Interviews Ihres Gegenübers einstimmen. Aber oft ist das nicht möglich – weil es nicht genug Material gibt oder weil der Inhalt Ihre Kenntnisse übersteigt. Beides ist okay. Sie müssen kein Experte sein, um mit einem zu sprechen. Vermeiden Sie, sich vor Ihrem Interviewpartner mit Wissen zu profilieren. Nehmen Sie stattdessen immer die Position des Lesers ein. Hat dieser keine Vorkenntnisse, müssen diese über den Dialog vermittelt werden.
Tausend Fragen aufschreiben und los geht’s? Keine gute Idee. Ein Interview sollten Sie lebendig und agil führen. Einfach nur eine Liste abzuhaken, wirkt nicht nur für Ihre Leser monoton. Ihren Gesprächspartner werden Sie damit auch nicht begeistern. Deswegen: Formulieren Sie die erste Frage mit Bedacht aus. Für den Rest reichen Stichpunkte, die Sie unter Umständen auch unterwegs über Bord werfen. Notieren Sie sich während des Gesprächs weiterführende Fragen – bleiben Sie flexibel, je nachdem, in welche Richtung sich das Interview entwickelt.
Sorgen Sie dafür, dass Ihr Gegenüber gerne mit Ihnen redet
Das beste Gespräch führt sich in behaglicher Atmosphäre. Stellen Sie daher sicher, dass sich alle Teilnehmer wohlfühlen. Suchen Sie einen Ort aus, an dem sie entspannt sind. Das kann ein Café sein oder eine gemütliche Ecke. Bei persönlichen Portraits bietet sich ein privates Umfeld an. Auch das Zwischenmenschliche sollte angenehm sein – selbst, wenn es sich um ein unbequemes Streitgespräch handelt. Schaffen Sie Vertrauen, damit der andere sich Ihnen gerne öffnet. Suchen Sie nach etwas, das Sie verbindet. Haben Sie vielleicht den gleichen Lieblingsfilm oder sind sie beide vom Regen nass geworden? Machen Sie Ihrem Gast vielleicht ein Kompliment, um ihn positiv einzustimmen. Eine persönliche Ebene nimmt beiden Seiten die Nervosität.
Die richtige Fragetechnik macht den Unterschied
Es sind nicht unbedingt falsche Fragen, die ein Interview vernichten – sondern falsch gestellte Fragen. Was wollen Sie von Ihrem Interviewpartner? Möchten Sie ihm Informationen entlocken, die er ungern preisgibt? Wollen Sie ihn im Verhör stellen? Oder einen Redeschwall in die richtige Bahn lenken? Passen Sie je nach Situation Ihre Fragetechnik an.
- Offene Fragen bringen den anderen zum Reden. Möglicherweise aber nicht über das, was Sie hören wollen.
- Geschlossene Fragen erzwingen klare Aussagen – aber nur, wenn der Interviewte mitspielt.
- Wollen Sie eine klare Antwort haben? Dann haben Sie zwei Möglichkeiten. Der direkte Weg: Sprechen Sie den Elefanten im Raum offen an. Sie riskieren allerdings, dass der Befragte ausweicht. Formulieren Sie die Frage indirekt, gehen Sie diplomatischer vor. Gibt es eine Aussage, die Sie zitieren können?
Rechnen Sie immer damit, dass der andere Schlupflöcher findet, um nicht antworten zu müssen. So vermeiden Sie Fehler wie bei diesem Klassiker:
Gute Interviewfragen allein reichen nicht – die Risiken eines schlechten Interviews
Nehmen wir den besten Fall an: Sie führen ein anregendes Gespräch mit Ihrem Interviewpartner und sind mit dem Verlauf rundum zufrieden. Nun geben Sie die Konversation Wort für Wort wieder und stellen fest: Schriftlich fehlt dem Interview jeder Charme. Woran liegt’s? Ein falsch geführtes Interview birgt Risiken:
- Der Leser versinkt in Geplänkel, das ihn gar nicht interessiert.
- Was gesprochen normal klingt, wirkt geschrieben ungelenkt und holprig.
- Der rote Faden fehlt und Sie verlieren Ihren Leser auf dem Weg.
- Die Information, die Sie dem Leser vermitteln wollen, kommt nicht an.
Im schlimmsten Fall scheitern Sie schon im Interview: Das Gespräch kommt nicht so richtig ins Rollen, Ihr Gegenüber rückt nicht mit den passenden Antworten heraus, bleibt wortkarg oder driftet komplett ab. Am Ende stehen Sie mit leeren Händen da.
Wie schreibt man ein Interview? Die Kunst steckt in dem, was Sie daraus machen
Wie eingangs bereits erwähnt, ist ein gutes Interview alles andere als ein Gesprächsprotokoll. Oft wird angenommen, dass es nicht editiert werden darf. Das ist aber grundlegend falsch. In Wahrheit bleibt bei einem guten Interview am Ende nur ein Viertel des Gesagten im Text übrig. Aufwärmfragen? Wiederholungen? Nicht zielführende Aussagen? Dürfen alle rausfallen. Auch die Dramaturgie muss nicht „die Realität widerspiegeln“. Längere Passagen dürfen und sollten sogar mit nachträglich eingefügten Fragen unterbrochen werden. Antworten, die an anderer Stelle ein rundes Bild ergeben, dürfen verschoben werden. Auch die Zitate selbst müssen nicht wortwörtlich wiedergegeben werden. Übertragen Sie es in eine authentische Schriftsprache. Ein Beispiel: Ein „Wir haben viel mit den Kindern gespielt. Das war super. Ist ja auch förderlich, wegen der Kreativität und so“ möchte niemand lesen. Genauso würde es falsch klingen, wenn Sie es in ein reines Schriftdeutsch übertragen: „Wir spielten viel mit unseren Schützlingen, denn das fördert die Kreativität“ Korrekt klänge es ungefähr so: „Wir haben viel mit den Kindern gespielt. Das fördert ihre Kreativität.“
Wichtigste Regel: Selbstverständlich dürfen Sie nichts Neues erfinden und auch Ihrem Gesprächspartner nichts in den Mund legen. Am Ende empfiehlt es sich immer, das fertige Interview vom Interviewten absegnen zu lassen.
Dos and Don’ts: Die wichtigsten Tipps, um ein gutes Interview zu führen
Do:
- Gut vorbereiten
- Eine angenehme Atmosphäre herstellen
- Augenmerk auf die Eröffnungsfrage legen
- Im Gespräch flexibel reagieren
- Den roten Faden im Auge behalten
- Die wichtigen Informationen mit geschickter Fragetechnik herausholen
- Interview gut aufbereiten
- Artikel autorisieren lassen
Don’t:
- Planlos ins Gespräch gehen
- Eine Situation zulassen, in der sich der Gesprächspartner unwohl fühlt
- Dem Interviewten das Zepter überlassen
- Einen Fragenkatalog abarbeiten
- Das Gespräch eins zu eins veröffentlichen
- Das Gegenüber absichtlich in einem schlechten Licht erscheinen lassen, Aussagen falsch darstellen oder gar hinzudichten
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