Das soziale Netzwerk TikTok polarisiert – von Teenagern gehyped, von Experten kritisiert. Kommt es als Werbeplattform für Ihr Unternehmen in Frage?
Eine hohe Reichweite ist für Sie als Werbetreibenden grundsätzlich immer interessant. TikTok, ein derzeit vor allem bei Teenagern extrem beliebtes soziales Netzwerk, bietet diese Reichweite. Trotzdem sollten Sie sich TikTok zunächst etwas genauer anschauen – denn es gibt auch kritische Stimmen.
Starkes Wachstum mit junger Nutzergruppe
Das chinesische Unternehmen Beijing Bytedance Technology kaufte im Jahr 2017 die Social Media App Musical.ly für mindestens 800 Millionen Dollar. 2018 fusionierte Bytedance diese mit der eigenen App Douyin und formte so TikTok. Der hauseigene Vorläufer Douyin behielt in China diesen Namen auch nach der Fusion. Seit dem Zusammenschluss verzeichnet TikTok einen starken Zuwachs an Nutzern: Neuesten Berichten zufolge hat TikTok inzwischen die Milliardenmarke bei den monatlich aktiven Nutzern geknackt – und das in Rekordzeit.
Zur Nutzerbasis gibt es viele verschiedene Quellen mit unterschiedlichen Zahlen. Man geht aber davon aus, dass der Großteil der User aus Asien kommt. Schätzungen zufolge leben nur 40 Prozent der TikTok-User außerhalb von China – viele von diesen wiederum kommen aus Indien. In den USA wurde die App inzwischen ebenfalls fast 100 Millionen Mal heruntergeladen und auch in Europa verzeichnet TikTok stetig wachsende Nutzerzahlen.
Hutter Consult zufolge sind die User größtenteils weiblich und vor allem in Europa jünger als 24 Jahre. Die meisten TikTok-Nutzer Europas kommen aus Deutschland – rund 5,5 Millionen monatliche User gibt es hierzulande.
Clips aufnehmen, Follower generieren – Die TikTok-Funktionen in der Übersicht
Wie in sozialen Netzwerken üblich können die User auch bei TikTok Content hochladen oder die Clips anderer Accounts ansehen. Ähnlich wie auf Instagram zeigt die persönliche Profilseite die Anzahl der Follower, wie vielen Seiten der Nutzer selbst folgt, sowie die Anzahl der Videos, die hochgeladen wurden. Doch auch die Zahl der Likes, die der User für seine Videos insgesamt erhalten hat, wird angezeigt. Offizielle Konten zeigen ihre Verifikation mit einem blauen Häkchen, beliebte Profile erhalten ein orangefarbenes.
Es gibt einen markanten Unterschied zu Facebook, Instagram & Co.: Der Fokus bei TikTok liegt nicht auf den Nutzerprofilen, sondern auf den von diesen generierten Inhalten. Nach diesem Prinzip ist auch die App aufgebaut. Unten am Bildschirm befinden sich vier Kategorien, zwischen denen der User navigieren kann:
- Home: Unterteilt in die Reiter „Folge ich“ und „Für dich“. In beiden Kategorien werden Ihnen in Form eines vertikalen Feeds Videos gezeigt. Der erste Reiter zeigt Videos, die Nutzer erstellt haben, denen Sie folgen. Der zweite Reiter beinhaltet für den Nutzer relevante Welche Videos Sie als Nutzer sehen werden, bestimmt ein interner Algorithmus. Das nächste Video im Feed erscheint, wenn Sie von unten nach oben wischen. Zwischen den Nutzervideos tauchen in diesen Feeds auch Werbeclips auf. Auf dem Clip-Bildschirm sehen Sie den Creator (Person oder Seite, die das Video hochgeladen hat), das Upload-Datum, die Bildunterschrift und die hinterlegte Musik. Auch die Like-, Kommentar- und Share-Zahlen sind zu sehen. Ein Klick auf das Musik-Symbol leitet den User zu einer Übersichtsseite weiter. Auf dieser werden alle Videos, die denselben Song verwenden, gesammelt.
- Entdecken: Hier findet der User neuen Content. Auch hier liegt der Fokus nicht auf dem Creator, sondern auf den Videos, die nach Hashtags sortiert sind. Für jeden Hashtag werden auch die Anzahl der jeweiligen Aufrufe angezeigt. Angesagt sind zumeist Hashtags, die einen Bezug zu aktuellen Ereignissen haben (national und/oder international), oder angesagten Trends folgen. Nicht selten setzt TikTok Trends selbst und platziert sie weit oben.
- Posteingang: Hier werden Ihre persönlichen Nachrichten
- Profil: Über diesen Button erreichen Sie Ihr persönliches Benutzerprofil, wo Sie bestimmte Einstellungen anpassen können. Sie haben die Möglichkeit, einen virtuellen Geldbeutel zu öffnen und ihn mit sogenannten Coins aufzuladen. Für einen virtuellen Coin bezahlen Sie echtes Geld – 100 Coins gibt es zum Beispiel für 1,09 Euro. Mit den Coins können Sie Ihre favorisierten Creators für deren Content belohnen. Grundsätzlich ist TikTok jedoch kostenlos.
- Erstellen (Plus-Zeichen): Die Kernfunktion von TikTok. Hier erstellen Nutzer Videos oder Diashows, wobei die Clips um einiges beliebter sind. Es gibt viele verschiedene Bearbeitungsmöglichkeiten, Videos können direkt aufgenommen oder hochgeladen werden. Die wichtigste Funktion ist aber die Songauswahl. Apple Music ist in TikTok integriert, sodass Sie als User auf eine enorme Auswahl an Titeln zugreifen. Dadurch spielt TikTok laut Apple Genius eine nicht zu unterschätzende Rolle bei Platzierung von Songs in Hitparaden und Charts. Die Musik-Auswahlseite zeigt neben der typischen Suchleiste auch eine Auswahl angesagter Tracks. Zudem kann der Nutzer bestimmte Lieder speichern, um sie mehrmals zu verwenden.
TikTok-Marketing: Die Werbeformate im Überblick
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Challenge: Der Song „I’m A Mess“ von bebe Rexha läuft bei fast allen Clips im Hintergrund und liefert dadurch einen hohen Wiedererkennungswert.
Für diese Art der Werbung ist es entscheidend, dass der Trend viral geht. Sonst laufen die Challenge – und damit auch die Marke – in Gefahr, unterzugehen. Um Ihre Hashtag Challenge in den Vordergrund zu rücken, arbeiten Sie mit Influencern zusammen. Oder präsentieren Sie die Challenge in Kombination mit einem kostenpflichtigen Banner. Dadurch wird sie dem User weit oben auf der Entdecken-Seite gezeigt und erreicht im Optimalfall eine maximale Reichweite.
- Branded Lenses/Effect: TikTok hat einen ausführlichen Videoeditor in die App integriert. Mit diesem können die User ihre Videos bearbeiten und mit den verschiedensten Effekten versehen. Auf diesem Prinzip baut das Werbeformat Branded Lenses/Effect auf. Ziel ist es, die User dazu anzuregen, in ihr Video ein animiertes Objekt (zum Beispiel das Produkt Ihres Unternehmens) einzubauen. Dabei ist von 2D- über 3D- bis hin zu AR-Objekten alles möglich. Wenn Sie beispielsweise eine Brille über den Branded Lenses/Effect bewerben möchten, ziehen sich die TikTok-Nutzer diese in ihren Videos mithilfe eines Effekts an, spielen damit herum, probieren sie aus und präsentieren sie dabei anderen Nutzern. Dieses Werbeformat ist eine sinnvolle Ergänzung zur Hashtag Challenge.
Bei der Erstellung Ihres animierten Objekts oder Filters hilft Ihnen ein Creative Team von TikTok – über den Kundenkontakt finden Sie Ihren Ansprechpartner.
- Brand Takeover: Dieses TikTok-Werbeformat ähnelt den Bumper-Ads im YouTube-Marketing. Dem User wird hier beim Öffnen der App entweder ein drei Sekunden langes Standbild oder ein drei bis fünf Sekunden langes GIF (kurzes Video ohne Ton) gezeigt
- In-Feed Native Video: Eine sehr wirksame Methode, den Usern Ihr Produkt mit einem kurzen Clip zu präsentieren, ist das In-Feed Native Video. Hier taucht Ihr kurzer (5 bis 15 Sekunden langer) Werbeclip mit Ton im „Für dich“-Video-Feed zwischen den Videos anderer User auf. Am unteren Bildschirmrand befindet sich unter der Kennzeichnung, dass es sich bei dem Clip um Werbung handelt („Gesponsert“), ein CTA-Button. Der CTA schickt den User auf verschiedene Seiten – zum Beispiel auf Ihre Landing Page, eine Download-Seite oder eine Seite mit einer Hashtag Challenge. Das Kostenmodell ist hier sehr flexibel, die Abrechnungsmöglichkeiten reichen von Kosten pro Button-Klick, über Video Views, bis hin zu Interaktionen mit dem Video (Likes, Kommentare, etc.).
Im Idealfall und mit dem nötigen Kleingeld besteht eine Werbekampagne auf TikTok aus mehreren Formaten, die sich gegenseitig stützen. Eine Hashtag Challenge, die mit einem Brand Takeover beworben und von Brand Lenses/Effect unterstützt wird, hat eine extrem hohe Reichweite und wirkt gleichzeitig sehr subtil. Denn wenn die User eigene Videos mit Bezug auf Ihr Produkt erstellen, machen sie ungewollt Werbung. Die Marke wird Teil des Alltags, cool und trendy.
Zu guter Letzt bietet TikTok noch das „Custom Influencer Package“ an. Damit werden interessierte Werbetreibende mit passenden Influencern in Verbindung gebracht. Diese können helfen, einen Trend loszutreten oder auf eine Werbekampagne aufmerksam machen. So wie bei der Hashtag Challenge von Guess. Dafür arbeitete die Marke unter anderem mit den extrem erfolgreichen Influencern @ourfire und @madison_willow zusammen.
Werbung auf TikTok – was spricht dagegen?
Für Ihre Entscheidung, welche Plattform Sie für Ihr Marketing nutzen, informieren Sie sich im Vorfeld über die Reputation des Kanals und die Umsetzbarkeit Ihrer Werbekampagne. Für TikTok sind folgende Punkte wichtig:
- Umsetzbarkeit
Die Werbeformate sind aktuell nur in wenigen europäischen Ländern im Self-Service möglich. Dazu gehören: Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien. Außerhalb von Europa ist das Self-Service-Prinzip in den US, in den meisten asiatischen Ländern sowie in Russland, der Türkei und Ägypten verfügbar. Werbeschaltungen in der sogenannten DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) sind nicht über die Self-Service-Plattform buchbar, zumindest noch nicht. Stattdessen müssen Sie die Werbekampagnen über das Agency-Team für Deutschland extra buchen.
- Kritik
Seit der Fusion von TikTok mit Musical.ly steht das soziale Netzwerk nahezu dauerhaft in der Kritik. Vor allem der hauptsächlich aus den USA kommende Vorwurf einer Kooperation mit der chinesischen Regierung, sowie kritische Stimmen von Datenschützern, werden mit TikTok in Verbindung gebracht. So ordneten US-Senatoren erst kürzlich eine Sicherheitsüberprüfung der App an, da sie Spionageattacken der chinesischen Regierung vermuteten. TikTok bestreitet, Nutzerdaten an die Regierung zu senden – die Mutterfirma Bytedance unterliegt jedoch dem chinesischen Gesetz. Und damit wäre Bytedance verpflichtet, dem Geheimdienst Daten weiterzugeben. Das Unternehmen erklärte daraufhin jedoch, dass ihre Rechenzentren nicht in China stehen würden und es somit zu keiner Datenweitergabe käme. Ein weiterer Kritikpunkt der App ist die sehr junge Altersbeschränkung: TikTok ist für Kinder ab 13 Jahren freigegeben – und die Altersgrenze kann leicht umgangen werden. So verhängte bereits die US-Regulierungsbehörde „Federal Trade Commission“ an Bytedance eine Strafe über 5,7 Millionen Dollar wegen Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz. Zudem ist es möglich, die Clips in der App einfach und schnell herunterzuladen – egal, wie alt das Kind auf dem Clip ist. Bei Instagram & Co. ist dies zum Beispiel nicht möglich.
- Sicherheitslücke(n)
Anfang Januar deckte das IT-Sicherheitsunternehmen Check Point eine Sicherheitslücke bei TikTok auf. Durch diese könnten Hacker den vollen Zugriff auf Nutzerkonten erlangen. Laut TikTok seien die Lecks bereits behoben, doch der Fall zeigt: Auch TikTok ist vor Sicherheitslücken und Hackerangriffen nicht gefeit.
- Negative Trends
Wie schnell auch negative Trends auf TikTok viral gehen können, zeigte ein sehr aktuelles Beispiel: Als sich durch den US-Drohnenangriff auf den iranischen General Souleimani die Nahost-Krise weiter verschärfte, waren viele besorgte Augen auf die Krisenregion gerichtet. Auf TikTok waren für mehrere Tage Videos, die Panik vor einem dritten Weltkrieg schürten, extrem beliebt. Manche User sahen bedingt durch den Algorithmus schließlich hauptsächlich Videos mit diesem Inhalt, was zu einer regelrechten Panik unter den jungen TikTok-Nutzern führte. Eltern berichteten zum Beispiel von Kindern, die Lebensmittel horteten und Haus nicht mehr verlassen wollten.
Marketing auf TikTok: Zwischen Potenzial und Risiko
Durch die klar definierte Nutzergruppe, die hohe Anzahl der monatlich aktiven User und das starke Wachstum ist TikTok für viele Werbetreibenden interessant. Die App hat den Nerv der Zeit getroffen. Und die zuvor aufgezählten Kritikpunkte scheinen zumindest eine Gruppe nicht zu stören: die Nutzer.
Ihre Zielgruppe ist jung und hauptsächlich weiblich? Dann ist TikTok als Werbeplattform definitiv zu empfehlen. Aktuell gibt es für Werbetreibende keinen einfacheren Weg, diese Gruppe so gezielt anzusprechen. Und wenn Sie Ihre Werbekampagne mit einer gut überlegten Hashtag-Challenge verbinden, fällt diese den Nutzern auch nicht unangenehm auf – und sie verbreiten die Kampagne weiter.
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